"Film ist ein flüchtiges, fluides Werk, das erst im Moment des Zuschauens vollendet wird; weil es von den Betrachtenden abhängt, mitgedacht, mitgestaltet wird, und sich dennoch – anders als das Theater – nie in seiner Form verändert. Dieses Zusammenspiel aus Variable und Festlegung, aus Rezipient*in und Autor*in ist das Wertvolle an diesem Medium – und genau so möchte ich es behandeln."
Katharina Lüdin
Geboren in Basel und aufgewachsen in der Schweiz, studierte Katharina Lüdin Film an der HFBK Hamburg und aktuell an der UdK Berlin.
Ihre Filme “Das Ei”, “Übermorgen Palermo” und “Valeska” liefen auf verschiedenen Festivals und in Ausstellungen.
"Und dass man ohne Täuschung zu leben vermag", ihr erster Langfilm, feierte 2023 seine Weltpremiere am 67. Locarno Filmfestival.
Katharina ist Gründungsmitglied und ehemalige stellvertretende Vorsitzende der Hamburger "Analogfilmwerke e. V.". Auch ihre filmische Arbeit zeigt ihre Leidenschaft für analoges Filmmaterial und für die Konzentration, die bei der Arbeit mit Zelluloid entsteht.
Sie arbeitet außerdem im Bereich der intersektionalen Antidiskriminierung, ist ehemalige nebenberufliche Frauen- und Gleichstellungsbeauftragte an der UdK Berlin und Redakteurin des Critical Diversity Blogs der UdK.
Film als Politikum Auszug aus Director's Note, 2020
"Es geht auch darum, einen Blick auf menschliche Vielfalt jenseits von Stereotypen und Zuschreibungen zu etablieren. Ich möchte Figuren und Beziehungen sehen, die kein unkritisch (hetero)normatives Modell einer seit Jahrhunderten konstruierten "Mehrheitsgesellschaft" reproduzieren. Deshalb sollte ihre sogenannte „Andersartigkeit“ in Erzählungen auch nicht ständig als Absonderlichkeit, und erst recht nicht klischeehaft betont werden – eben weil sie gar keine ist. Dieses Umdenken hat auch unser Alltag dringend nötig, und Gesehenes prägt den Alltag, davon bin ich überzeugt.
Eine große Relevanz hat in meinen Arbeiten deshalb auch der weibliche Blick. Die Theater- und Filmwelt macht FLINTA-Personen noch immer häufig unsichtbar; im Theater schon allein deshalb, weil die meisten Stücke von cis Männern geschrieben wurden. Diversität da zu suchen, ist wie Fischen im trüben Morast. Frauenrollen ab Mitte 40 sind meist Nebenfiguren, oft haben sie nicht mal mehr einen Vornamen. Sie heißen dann 'Mutter' oder 'Lehrerin' oder schlicht 'alte Frau' und tun genau das, was die 'Supporting Role' per Definition eben so tut: sie definieren sich über den ihnen zugeschriebenen gesellschaftlichen Zweck und durch einen männlichen Blick auf sie und ihre Welt.
Wir müssen unseren Blick endlich öffnen: für die Sichtbarmachung von unabhängigen Frauenfiguren, gerade von solchen jenseits der 50, deren Handlungsspielraum sich nicht nur darauf beschränken darf, sich diese Sichtbarkeit zu erkämpfen. Ich möchte, dass wir diesen Frauen einfach dabei zusehen, wie sie leben, denken, lieben; fehlbar, großzügig und kleinlich, grenzüberschreitend oder zart, laut und leise, mit Kindern oder ohne – Hauptsache, sie haben nicht nur 'durch den Mann' ihre Existenzberechtigung."
Illustrationen: Messer und Feder auf Schabkarton, K. Lüdin 2006 Nach einer Kurzgeschichte von P. Bichsel